Kapitel 11
Mathias und der Untergang

Das Spiel

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Gustav hatte eine Vier gewürfelt, durch sie landete er auf dem kleinen gelben Feld, von wo aus er seinen Spielstein schnell auf das große gelbe Feld weitersetzte. Hier hatte er die Chance, ein weiteres Tortenstück für das blaue Spielrad gewinnen zu können. Ich zog eine Karte und las ihm die gelbe Frage vor. Die Antwort darauf sollte er wissen, denn wir besaßen ein paar Bücher mit Sammlungen alter Märchen.
„Welcher Klaus hatte in dem Märchen ‚Der große und der kleine Klaus‘ die meisten Pferde?“
„Der große Klaus. Er hatte vier Pferde. Pferde waren schöne Reittiere mit vier Beinen. Solche, wie sie die Cowboys benutzten.“
„Das stimmt genau, Gustav. Jetzt bekommst du noch ein Stück vom Käse.“
„Ich dachte, wir hätten uns darauf geeinigt, dass es eine Torte ist.“
„Eine Torte? Es sind doch nur sechs Stücke.“
„Ja, und es sind herrlich große Stücke.“
„Okay, also abgemacht. Jetzt fehlen dir nur noch zwei.“
„Dir auch.“
„Aber ich nehme die blauen Karten, und die sind schwerer.“
„Wir bleiben schön zusammen.“
„Das machen wir doch immer, und so ist es ja auch lustiger. Du bist dran mit würfeln.“
Also würfelte er und hatte Glück.
„Ich habe eine Drei. Hurra!“
Gustav setzte auf das blaue Feld.
„Bist du dir sicher, dass du nicht lieber eine Braune haben willst? Dir fehlen beide.“
„Nein, lieber eine Blaue.“
Ich zog eine Karte.
„Wie heißt die größte Wüste der Erde?“
„Wüste?“
„Das ist ein Ort mit viel trockenem Sand. Sie kommt auch in ‚Aladin und die vierzig Räuber‘ vor. Sie befindet sich in Afrika.“
„Ähm … ja, ‚Sahara‘!“
„Genau. Es läuft gut für dich.“
Gustav hatte seine Chancen erkannt.
„Wenn ich jetzt bloß eine Sechs würfele.“
„Dann hast du die Chance auf einen vollen Spielring.“
„Die ganze Torte.“

Gustav schüttelte den Zahnputzbecher, dass es klirrte und klimperte. Dann schüttete er den kleinen Würfel heraus, aber er rollte über die Kante des Tischs. Auf dem Boden wurde es tatsächlich eine Sechs. Flehend schaute er zu mir herauf.
„Okay, abgemacht, es gilt trotzdem.“
„Jaha!“
Wenn man seinem kleinen Bruder mit so wenig eine Freude bereiten kann, sollte man wohl nicht kleinlich sein.
„Dann muss ich jetzt nur die braune Frage schaffen.“
Sie war unverschämt leicht.
„Wie viele Hände hat Captain Hook?“
„Eine Einzige! Die andere ist ja der Haken.“
„Exakt. Und dann werde ich auch nicht von dir verlangen, dass du mir sagst, ob der sich am rechten oder linken Arm befindet.“
Gustav dachte nach.
„Es ist der linke Arm.“
„Das glaubst du, weil du an das Filmalbum denkst, aber im Buch ist es die andere Hand.“
„Ja?“
„Ja, wirklich.“
„Das ist aber schade. So was kann man doch nicht einfach ändern!“
„Dieser Meinung kann man sein, aber wenn früher ein Film gemacht wurde, haben sich die Filmemacher nicht immer genau nach dem gerichtet, was im Buch stand.“
Mit Wonne setzte Gustav das letzte braune Dreieck auf sein Spielrad und durfte obendrein noch einmal würfeln.
„Jetzt bin ich bald fertig.“
„Das sagst du einfach so, aber ich kann mich gut daran erinnern, dass ich früher auch schon weit hinten gelegen habe und dann habe ich dich am Ende doch noch geschlagen.“
„Das ist lange her.“
„Nein, nein, es ist nicht länger als ein paar Wochen her.“
Gustav würfelte wieder, aber es wurde nur eine Vier.
„Dann bin ich endlich dran.“

Ich würfelte und landete auf einem blauen Dreieck. Ich zog eine blaue Karte. Auf dieser Karte hatte Vater keinen Punkt an die blaue Frage gemacht. Das bedeutete, dass er uns nicht erzählt hatte, was wir dazu wissen mussten. Also durfte ich mir eine andere Karte ziehen. Ich war gezwungen, sie selbst laut vorzulesen, denn Gustav hatte noch nicht richtig lesen gelernt.
„Welchen Namen benutzen Dänen normalerweise für den Berg ‚Brocken‘ in Deutschland?“
„Das weiß ich schon.“
Gustav war schnell, aber ich wartete etwas ab, so, als ob ich es beinahe vergessen hätte. Ich zögerte so lange, bis er der Meinung war, dass er so nett sein und mir helfen sollte.
„Das ist ein Ort, wo die Hexen an Mittsommer hinfliegen.“
„Ach ja, Bloksbjerg.“
Ich drehte die Karte um. Es stimmte. Gustav war stolz darauf, mir bei der Antwort einer blauen Karte geholfen zu haben. Ich setzte ein blaues Dreieck auf mein grünes Spielrad, oder eben meine Torte.
„Jetzt fehlt dir nur noch ein Einziges.“
Ich würfelte erneut. Es wurde eine Fünf. Ich entschied mich für ein grünes Feld. Gustav verwaltete den blauen Stapel und zog eine Karte.
„Hier hat Vater einen Punkt an die grüne Frage gemacht.“
Er reichte sie mir, damit ich sie selbst lesen konnte.
„Wie wird ein Winkel genannt, der kleiner als 90 Grad ist?“
„Das weiß ich.“
Ich wusste es auch.
„Ein spitzer Winkel.“
Ich drehte die Karte um und erhielt die Bestätigung.
„Es stimmt.“
„Selbstverständlich stimmt es. Du hast mir doch vor Kurzem selbst davon erzählt, als du ein Dreieck zeichnen solltest und nur die drei Seitenlängen hattest.“
„Daran kannst du dich erinnern?“
„Ja, und auch, wie du es geschafft hast. Du hast deinen Winkelmesser benutzt.“
„Das stimmt ganz genau.“
„Also, dann bist du jetzt noch mal dran.“
Ich würfelte abermals und die orangefarbene Punkt bringende Frage war leicht.
„Welche Tiere nehmen an Olympia teil?“
Ich wollte gerade antworten, als ich unterbrochen wurde.
„Was ist Olympia?“
„Olympia bedeutet ‚Olympische Spiele‘. Das waren Sportveranstaltungen, die alle vier Jahre abgehalten wurden und an denen Sportler aus der ganzen Welt teilnehmen und darum wetteifern konnten, wer der Beste von ihnen war. Solche Veranstaltungen wurden auch schon vor mehr als zweitausend Jahren im alten Griechenland durchgeführt. Und Völker, die sich eigentlich im Krieg miteinander befanden, hielten während der Zeit, die die Sportveranstaltung dauerte, Frieden.“
„Ich glaube, das war eine richtig gute Idee.“
„Das war es tatsächlich, deshalb hat man die Tradition 1896 wieder aufgegriffen. Die Jahreszahl ist die Antwort auf eine andere Spielfrage.“
„Jetzt weichst du aus. Sind Tiere bei diesen Veranstaltungen dabei?“
„Ja, im Reitsport. Es sind Pferde.“
„Dann hast du auch eine ganze Torte!“
„Das habe ich ja gesagt. Und jetzt muss ich wieder würfeln.“
Es wurde eine Sechs. Ich schaffte es bis in die Mitte, und war fertig. Auf die Art, wie wir das Spiel spielten, bedeutete es auch das Ende. Gustav nahm die Niederlage mit Fassung. Ihm war etwas eingefallen, worüber er nachdachte.

„Was stand auf der Karte, auf der Vater bei deiner blauen Frage keinen Punkt gemacht hatte?“
Ich zog die alte blaue Karte heraus.
„In welchem Teil von New York liegt die Hauptverkehrsstraße Broadway?“
In diesem Punkt waren wir beide ahnungslos. Ich drehte die Karte um und las vor.
„Manhattan.“
Gustav wiederholte die interessanten Worte.
„Broadway und Manhattan.“
Ich erzählte, was ich wusste.
„New York war eine riesig große Stadt mit sehr hohen Häusern. So hoch, dass man sie Wolkenkratzer nannte.“
Gustav kletterte vom Stuhl und lief schnell zum Regal, um aus dem untersten Regalfach einen Band des großen blauen Lexikons zu holen. Er kam mit dem Richtigen zurück. Die Buchstaben kannte er schon.
„Das ist absolut richtig. Und es steht nur ‚Munk – Oksa‘ auf dem Rücken.“
„Alle Worte mit ‚N‘ liegen ja zwischen ‚M‘ und ‚O‘.“
„Das stimmt. Erinnere mich daran, dass wir bald eine Lesestunde machen.“
Wir schlugen Seite 176 auf, wo es insgesamt fünf Seiten und fünfzehn Bilder von New York, der größten Stadt der USA, nachzuschlagen gab. Gustav zeigte mit dem Finger.
„Sieh mal, dass müssen diese Wolkenkratzer sein, von denen du gesprochen hast.“
„Und da ist Manhattan. Da ist auch eine Karte.“
Wir studierten die Karte gründlich. Manhattan sah aus, als wäre es eine Insel.
„The Bronx, Brooklyn, Jersey City, Queens …“
„Wie heißt die große Insel?“
„Long Island.“
Gustav zeigte weiter.
„Was ist das für eine Karte dort?“
Ich musste selbst erst schauen, bis ich es mir klar wurde.
„Das ist der Bundesstaat New York, in dem die Stadt mit dem gleichen Namen liegt. Die vereinigten Bundesstaaten bestanden ja aus mehr als fünfzig Einzelstaaten.“
„Lies was von dem Text vor, Mathias.“
Also las ich vor.

New York [nju- ´jå-k], abgekürzt N. Y., manchmal Empire State genannt, Bundesstaat im Osten der USA, ca. 18 Mio. Ew.; ca. 129 000 km²; grenzt an Vermont, Massachusetts, Connecticut, New Jersey, Pennsylvania und, entlang des Eriesees, des Ontariosees und des St. Lawrence‑Stroms, an Kanada. Durch den Bundesstaat verlaufen die Appalachen und fließt der Hudson River mit seinem Nebenfluss, Mohawk, der schiffbar ist und zwischen der Stadt New York und den kanadischen Seen eine wichtige Verkehrsader bildet.

Schließlich las ich ihm alles vor, was dort stand. Die allgemeinen Informationen. Die Stadtgeschichte und Entwicklung. Zuletzt die Beschreibung der Stadt mit ihren Sehenswürdigkeiten und ihrer Kultur.
Als ich fertig war, saßen wir beide eine Weile still da.
„Und diese Stadt gibt es nicht mehr?“
„Vater meint, nein. Die meisten Menschen müssen wahrscheinlich tot sein, denn sonst würden wir während der Zeit, als es noch einzelne Radiostationen gegeben hat, die Signale aussendeten, davon erfahren haben.“
Wir schauten uns die vielen Bilder an. Es war das Erste und Letzte, was wir von dem Ort auf der Welt sehen würden, der das Zentrum für viele wichtige Dinge, die es auf der Erde gegeben hatte, gewesen war und wo so viele Menschen gelebt hatten.
„Was ist das?“
Gustav zeigte auf ein Bild einer Statue, die wohl eine Frauenfigur vorstellte. Ich las den Text zu dem Bild.

New York, Freiheitsstatue, das weltbekannte Symbol für Freiheit und Demokratie. In ihrer rechten Hand hält sie eine Fackel, die die Welt erhellt, eine symbolische Geste, die die Herzen vieler Einwanderer erwärmt hat.

„Und das alles ist weg?“
„Oder aber es ist zerstört.“
„Und das Gleiche gilt auch für andere Städte?“
„Ja, sowohl auf der anderen Seite des Atlantiks als auch hier drüben.“
Gustav stand vor der Weltkarte mit all ihren vielfarbigen Flecken. Vater hatte sie an der Wand aufgehängt.
„Das ist ziemlich schade, dass das jetzt alles weg ist.“
„Das ist es, aber daran kann man ja nichts mehr ändern. Vater hat eine Erklärung dafür, wie es so weit kommen konnte.“
„Hat er die?“
„Ja, und sie baut auf der menschlichen Natur auf.“
„Was ist das?“
„Das sind Anlagen, die der Mensch seit der Frühzeit in sich trägt. Schwächen, die schließlich zur Belastung wurden, als die Menschen sich über die ganze Welt verbreiteten und es zu viele von ihnen wurden.“
„Welche Schwächen?“
„Dass man gierig ist und auf Kosten anderer rafft. Dass man nur an sich selbst im Hier und Jetzt denkt und nicht das Ganze aus einer größeren und längeren Perspektive betrachtet. Das ist die Art und Weise, wie sich Kinder oft aufführen. Vater sagt, dass es genau das gewesen ist, was zum Untergang der Erde geführt hat.“
Gustav dachte über meine Beschreibung nach.
„Also, die Menschen haben sich irgendwie wie ungezogene Kinder aufgeführt und nicht wie die erwachsenen Menschen, die sie waren?“
„Weißt du was, Gustav, ich glaube, du hast es damit viel genauer getroffen.“
„Habe ich das?“
Gustav war ein bisschen stolz.
„Das ist das, was Vater mit anderen Worten gesagt hat. Erwachsen zu werden, bedeutet, dass man Verantwortung auch für andere als nur für sich selbst empfindet. Die anderen, dass ist typischerweise eine Familie, für die man sogar bereit ist, das Leben zu opfern. Das ist eine gute Veranlagung, die wir als Erbe unserer Vorzeit in uns tragen. Als die Menschen aber in viel zu großen Gruppen zusammenfunktionieren und die Rohstoffe der Erde gemeinsam nutzen sollten, hatte die Entwicklung der Natur ihnen nicht beigebracht, in größeren Zusammenhängen Verantwortung zu tragen, und deshalb ging es schief.“
„Die Menschen begannen, Krieg zu führen.“
„Ja, aber das haben sie ganz sicher auch damals schon getan, als es nur kleine Stämme gab. Nur spielte das für das Gleichgewicht der Natur nicht so eine große Rolle. Als sie dann aber die Macht bekamen, Krieg in großem Stil zu führen, ist es schiefgegangen.“
„Stell dir mal vor, dass sie das nicht begreifen konnten.“
„Ja, und alles verschlimmerte sich noch dadurch, dass sie auf den Einfall gekommen sind, dass alles ständig anwachsen sollte. Deshalb musste immer mehr von dem verbraucht werden, was die Erde zu bieten hatte. Mit weniger wollte man sich um der kommenden Generationen willen nicht zufriedengeben. Schließlich führte man stattdessen Krieg um die wenigen Werte, die zum Schluss noch vorhanden waren. Das sagt Vater jedenfalls.“
„Dann ist es wahrscheinlich ganz natürlich, dass die Menschen aussterben, wenn sie sich dem Leben auf der Erde gegenüber nicht ordentlich benehmen können.“
„Auf alle Fälle wird es die eigene Schuld der Menschen sein, wenn es dazu kommt. Sie denken nur an sich selbst und ihre allernächsten Angehörigen. Aber sie sind bereit, alle anderen zu bekämpfen, um einen Vorteil für sich selbst zu erzielen.“
„Jetzt, wo es nur noch uns gibt, an die wir denken müssen, kann uns das wohl nicht passieren?“
„Das müssen wir hoffen, Gustav, aber insgesamt ist es wahrscheinlich zu spät. Immerhin muss es eine gewisse Anzahl von Menschen geben, damit die Art überleben und sie sich vermehren kann.“
„Wieso ist es so traurig zu Ende gegangen?“
„New York war eigentlich wichtig. Vater sagt, dass alles dort begonnen hat, weil eine kleine Gruppe selbstsüchtiger Menschen an diesem Ort zu große Macht bekam. Etwas mit Börse und Spekulation mit Papiergeld und überbewerteten Wertpapieren.“

„Nein, jetzt machen wir aber was Lustigeres. Ich will lesen lernen.“
„Was wollen wir lesen?“
„Das hier.“
„Das kleine Fohlen?“
Gustav hatte früher schon versucht, selbst zu lesen. Mit dem Finger folgte er den Worten.
„Das neu-e Foh-len wur-de Spring-ins-feld ge-tau-ft.“
Auf der Seite war das Bild eines Fohlens zu sehen, das sich schwer damit tat, seine langen Beine unter Kontrolle zu bekommen. Gustav schlug die nächste Seite auf.
„Als es sich müh-sam auf die dün-nen Bei-ne stell-te, sah es zum ers-ten Mal die Hür-de an der Wei-de. Von da an war sein größ-ter Wun-sch, ein-mal üb-er die-se Hür-de zu sprin-gen.“
Das war der Text der Doppelseite, deshalb blätterte Gustav nun abermals in dem kleinen Buch.
„So-bald es brrr! sa-gen konn-te, er-zähl-te es sei-ner Mut-ter da-von. Ab-er die sag-te nur: ‚War-te noch, bis du grö-ßer ge-wor-den bist, dann sprin-gen wir mal zu-sam-men da-rüber!‘ Das Kü-ken und das Rot-kehl-chen, die a-lles mit an-ge-hört hat-ten, wa-ren sich ei-nig: Die-ser Spring-ins-feld wird es be-stimmt noch zu et-was brin-gen.“
„Das geht doch prima, Gustav. Aber ich glaube, du hast das Buch auswendig gelernt.“
„Nein, nicht alles. Können wir eine Tasse Kakao trinken?“
„Oh, du Plagegeist. Na gut, abgemacht.“
„Du bist der größte große Bruder aller Zeiten, Mathias.“
„Woher willst du das wissen? Du hast ja weiter keinen, mit dem du mich vergleichen kannst.“
„So was weiß ich einfach.“

Bevor wir schlafen gingen, wollte Gustav, dass ich das Lied „Wir warten auf Vater“, das wahrscheinlich auch „Drei süße Kindlein“ hieß, für ihn sang. Das Lied passte ja auch sehr gut zu unserer Lage, und es war nicht schwer zu verstehen, dass Gustav genau dieses Lied hören wollte. Also holte ich das Buch „Die Kleinen singen“ hervor.

Drei süße Kindlein mit Augen so blau,
still stehen sie im Dämmerlicht und schau
wie ihre sechs Augen verweilen,
auf allen, die jetzt nach Hause eilen.
Sie stehen und warten, und warten auf den Vater,
drücken sich ans Fenster und warten auf den Vater.

Gabriel, schon im sechstes Jahr,
schüttelt versunken sein braunes Haar,
an die Scheibe er drückt die Stirne fest,
sein Nacken steif, den Blick er nicht lässt.
Er steht und wartet, und wartet auf den Vater,
starrt auf die Straße und wartet auf den Vater

Anna‑Marie steht neben ihm hier,
ein süßes Püppchen von erst vier,
mit goldnen Löckchen und süßem Gewand,
groß die Augen, der Blick gespannt.
Sie steht und wartet, und wartet auf den Vater,
Ja, glaub's nur, sie steht und wartet auf den Vater.

Der Kleinste, das Baby heißt Kristian,
kaum er seine Sehnsucht beherrschen kann,
versprochen hat der Vater, etwas Schönes zu bringen.
So denkt er: Und bald schon wird es gelingen.
Kommt er und kommt er und kommt nicht der Vater?
Immer zu fragt er: Kommt nicht der Vater?

Lange stehen sie, die süßen drei
und am Fenster gehen, ach, so viele vorbei.
Endlich - nein - ist er's? Ja, hier
stürzen sie alle hin zu der Tür.
Da kommt er und kommt er, da kommt der Vater!
Sie rufen Hurra: Da kommt der Vater!

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