Amelie und der Schutzgeist
Ein Interview mit dem Autor Freddy Milton

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Was hat dich dazu veranlasst, das Buch „Amalie und der Schutzgeist“ zu schreiben?

Da gibt es selbstverständlich mehrere Sachen, die zusammenkommen, doch in erster Linie war es, weil ich mich für grenzüberschreitende Phänomene und für verschiedene Ebenen, auf denen man existieren kann, interessiere.

Wovon handelt das Buch?

Tatsächlich ist es ein Abenteuer über das Leben auf der Erde und darüber, wie die Menschen sich aufführen, die gerade dabei sind, die Welt als Ort der Zukunft für die Menschen zu ruinieren; falls wir uns weiterhin den Luxus, den wir in der westlichen Welt bis jetzt gewohnt waren, erwarten. Damit ist es auch die umfassendste symbolische Erzählung, die ich jemals geschrieben habe, und gleichzeitig die unterhaltsamste. Ich habe jetzt mehrere Bücher geschrieben, doch mit dem neuen verglichen sind sie die pure Nabelschau. Das Buch ist von meinem alten Comicalbum „Den gamle gartner“ [dt. Der alte Gärtner] aus dem „Dekalog over Janteloven“ [dt. Die Zehn Gebote des Jante] inspiriert. Und dann habe ich noch den Turbo dazugeschaltet, damit es ein umfangreicheres Buch werden konnte.

Es ist recht dick. Außerdem in zwei Teilen.

Ja, in der alten Fassung gab es nur den ersten Teil, aber als es ein Jahr bei mir gelegen hatte, kam mir die Idee zu einem zweiten Teil, der glücklicherweise mit ins Buch kam. Er ergänzt und erweitert den Sinngehalt des ersten Teils auf eine Weise, mit der ich ganz zufrieden bin.

Worin besteht denn der Unterschied zwischen dem Schreiben von Comicalben und dem von Büchern?

Es gibt viele Unterschiede, doch der wesentlichste ist die Komplexität. Ich bin bei einem Vortrag über das Drehbuchschreiben an der Filmschule gewesen, und dort sagte der Referent etwas sehr Zutreffendes: „Irgendwann kommt es im Arbeitsgang des Schreibens einer Geschichte zu einem Wechsel. Zuerst ist es der Erzähler, der den Ablauf steuert, doch irgendwann wird die gute Geschichte die Angelegenheit selbst übernehmen und verlangen, auf eine bestimmte Weise fortgeführt zu werden, bei der man als Autor dann hauptsächlich zu einem Instrument wird, das die Fäden nach dem Muster führt, das die innere Logik der Geschichte verlangt.“ Das kann ich sehr gut unterschreiben. Und während des Schreibens ist das eine sehr befriedigende Erfahrung, die man macht. In der Regel passiert mir das, und ich meine, dass das deshalb so ist, weil meine Erzählungen in ihrer Grundstruktur recht einfach sind.

In dem Buch operierst du mit zwei Ebenen. Und die zweite Ebene hat also die Form einer spirituellen Ebene, von der man sich vorstellen kann, dass die Seele dorthingelangt, wenn man stirbt?

Das stimmt, doch das meiste des Buchs läuft in einer Art Vorhölle, dem Limbus, ab, einer Zwischenebene auf dem Weg hinüber auf die andere Seite, die Seelenebene. In der Geschichte habe ich nämlich ein zehn- bis zwölfjähriges Mädchen, das sich weigert, zu akzeptieren, dass seine Zeit gekommen ist. Und so muss der begleitende Schutzgeist sie davon überzeugen, dass es wirklich so ist. Damit hat er allerdings eine höllische Mühe, und daraus entsteht eine Menge Schwachsinn und Unfug, wie ich üblicherweise provozierend denen sagte, die fragten, worüber ich denn gerade schriebe. Ich kann mich nicht beherrschen. Über Leben und Tod in Verbindung mit einer humorigen Betrachtungsweise zu sprechen, stellt die Dinge unter ein groteskes Licht. Für schräge Sichtweisen hatte ich immer eine Schwäche, und überhaupt bei Erzählungen, bei denen die Betrachtungsweise eines Kindes der Einstieg in die Geschichte ist.

Du breitest das Thema um Existenzebenen noch weiter aus. Denn du führst eine Nebenebene ein, auf der du die Umstände von Leben und Tod, nicht nur auf der Erde, sondern im ganzen Universum zur Sprache bringst...

Ja, und ich bin der Meinung, dass sich das im dramaturgischen Zusammenhang gut steht. Am liebsten sollen es Elemente mit einer gewissen Nähe und Intimität sein. Und hier kommt der Kampf eines Mädchens darum, sein Leben auf der Erde weiterführen zu dürfen, als ein Thema zur Sprache, mit dem sich leicht zu identifizieren ist. Gleichzeitig ist das kollektive Leben der Menschen auf der Erde, wie bekannt, in der letzten Zeit recht problematisch geworden, und allmählich sind die Menschen dabei, ein Auge dafür zu bekommen. Also wollte ich den Teil der Konsequenzen, die die Entfaltung dieser Lebensweise mit sich bringen, dabeihaben. Und von meiner Warte aus gibt es einen engen Zusammenhang zwischen diesen Elementen, die ich im Buch darstelle.

Besteht da nicht die Gefahr, dass es zu schwer und anstrengend wird?

Das ist ein erkennbares Risiko, und ich würde mich auch nicht auf dieses Feld hinausgewagt haben, wenn ich nicht der Meinung wäre, eine tragfähige Struktur gefunden zu haben, von der ich finde, dass sie leicht und unterhaltend fließt, sowohl mysteriös ist als auch gefährlich, spannend und unterhaltsam, anrührend und nachdenklich. Wenn ich das also selbst so sagen darf.

Weshalb bist du der Meinung, dass es gelungen ist?

Weil ich an einen Punkt gekommen bin, an dem ich Science-Fiction bei der Vorstellung der überwältigenden Probleme als genremäßigen Rahmen aufnehmen konnte. Kenner pflegen zu sagen, dass „Fantasy“ ein Wahrscheinlichmachen des Unmöglichen ist, während „Science-Fiction“ ein Möglichmachen des Unwahrscheinlichen ist. Science-Fiction bietet ungeahnte Möglichkeiten für schräge Sichtweisen, groteske Perspektiven und amüsante Details.

War es schwer, damit umzugehen?

Nein, eigentlich weniger, als ich befürchtet hatte. Die Science-Fiction-betonten Elemente kamen mir ganz leicht, wenn ich sie als Rahmenhandlung benötigte. Aber ich glaube, das kommt daher, weil ich in meinem Unterbewusstsein ein großes Lager an Motiven und Modellen dieser Art Beschreibungen besitze. Jetzt gerade habe ich eine Fortsetzung über eine Seele geschrieben, die im Limbus festgefroren ist und von dort nicht weg will. Aber daraus wird nicht Buch Nummer zwei werden, weil diese Geschichte auch ernsthafter sein wird.

Woher kommt dein Interesse für Science-Fiction?

Das geht wohl auf meine Jugend zurück, wo ich jahrelang ein großes Vergnügen daran hatte, Science-Fiction zu lesen. Ich bin von Autoren wie Dick, Asimov, Clarke, Bradbury, Ballard, Aldiss und Vonnegut sehr begeistert gewesen. Diese Gesellschaft extraordinärer Gentlemen hat ja eine breite Spannweite. Und ich habe dann meiner Geschichte einiges an Humor hinzugefügt. Ein Teil dieses Humors entsteht auch von selbst, wenn man hohe philosophisch-existenzielle Motive zu einer alten Fahrradmechanikertechnologie aus den Fünfzigern für die Durchführung eines Seelentransports in Kontrast setzt. In der Geschichte entwickelt es sich so, dass man in der Seelenbehandlung jedoch zu neuer digitaler Technik übergeht. Über diesen Teil zu schreiben, war auch recht lustig.

Beim Lesen wird man etwas verunsichert, in welche Richtung die Geschichte verläuft.

Das ist aber ganz bewusst so gemacht. Man soll nicht wissen, ob man verraten oder verkauft ist oder wohin man eigentlich unterwegs ist oder weshalb. In der Handlung soll es ein mysteriöses Element geben. Und es soll bedrohliche Perspektiven geben. Selbst, wenn der Leser durchschaut hat, dass es wohl nicht ganz so schiefläuft, wie es zwischendurch aussieht, so soll es doch aber am liebsten überraschend sein, auf welche Weise schließlich alles ins Trockene kommt. Ein bisschen dekoriert habe ich die roten Fäden wohl auch, obwohl die Dekors an den Rändern vielleicht ein wenig ausgefranst sind.

Hast du viele Recherchen anstellen müssen?

Nein, ich habe mich an die Themen gehalten, bei denen ich das Gefühl hatte, dass ich mich schon auskannte und zu denen ich ein starkes persönliches Interesse habe. Das spannt sich von dem ganz Alltagsrealistischen, wie den Erlebnissen eines geschiedenen Vaters mit seiner vorpubertären Tochter, über die geisterhaften Phänomene aus „Åndernes Magt“ und „Klarsyn“, die ich seinerzeit jeden Tag im Fernsehen auf „Zulu“ verfolgt habe, und dann das ganze Zeug rund um die Überlegungen zur Seelenwanderung. Dazu kommen dann die fantastischen Einfärbungen des Science-Fiction-betonten Rahmens und der semireligiösen Mythologie.

Also glaubst du vielleicht selbst an diese Theorien über die Seelenwanderung?

In hohem Maße. Wenn ich es nicht täte, glaube ich nicht, dass ich einen so umfangreichen Einsatz hätte leisten können, wie er notwendig ist, wenn man ausreichend überzeugend wirken will.

Apropos religiöse Einfärbung: Bist du nicht etwas nervös deswegen, ob diese Elemente nicht in gewissen Kreisen Anstoß erregen könnten?

Nein, denn ich bin gegenüber dem Begriff Religiosität als solchem wirklich nicht negativ oder skeptisch. Aber gewisse Gruppierungen haben sich im Laufe der Zeit durch einige sehr kritikwürdige Folgeerscheinungen ihrer kollektiven Religionsausübung schuldig gemacht. Und von solchen Dingen nehme ich natürlich Abstand.

Ich denke dabei auch an die lockere, entspannte Haltung, die du in deinem Konzept zeigst.

Das ist völlig unproblematisch. Unzählige Hollywoodfilme haben eine entspannte, volkstümliche Haltung zu spirituellen Dingen wie Gott und Himmelreich gehabt. Und wenn es jemanden gibt, der im Laufe der Zeit dafür gesorgt hat, nur die Art Sichtweise auf den Markt zu bringen, die man für religiöse Gruppen als nicht anstößig einschätzte, dann ist das die Medienmaschinerie Hollywoods gewesen. Was das betrifft, halte ich mich nur im Sogstrahl einer guten, alten Erzähltradition.

Der realistische Teil kann schon ein wenig autobiografisch wirken. Ist er es?

Das kann man schon sagen. Während des Schreibens bin ich froh darüber gewesen, einen engen Kontakt zu meiner Tochter gehabt zu haben, die im gleichen Alter wie Amalie ist. Deshalb bin ich mir sicher, dass meine Beschreibung der Besuchszeit eines Scheidungskindes bei ihrem Vater, der ganzen heutigen Sprechweise und der Umgangsformen sauber klingt. Dafür kann ich garantieren, denn es hat mich selbst betroffen. Viele der Dialoge sind übliche Sprache, so, wie sie auch zwischen ihr und mir ablaufen. Und meine Tochter ist fast genauso lebhaft wie Amalie. Deshalb könnte ich den Vorbehalt der Leser nicht akzeptieren, falls sie meinten, dass Amalie etwas zu altklug ist. Diese Kinder gibt es jedenfalls. Ich habe selbst eins von ihnen. Außerdem freuen sich junge Konsumenten, über eine Identifikationsfigur zu lesen, die vielleicht einen Zahn schärfer und intelligenter ist als sie selbst. Der Gedanke, den Erwachsenen einen qualifizierten Gegenspieler zu geben, kann einem schon gefallen.

Bist du dann selbst auch so altmodisch und nostalgisch, wie Amalie ihren Vater beschuldigt, es zu sein?

Ach was, ich bin viel schlimmer!

Und du hast vielleicht selbst eine Schwäche für Heimatmuseen, Volkstümliches, Dialekte und altes Handwerk?

Ja, mich fesselt Geschichte sehr, und alle Details in „Amalie und der Schutzgeist“ sind Ausdruck für Dinge, die mich persönlich interessieren.

Wer ist das Publikum?

Ich finde, ich bin dieser Fragestellung zuvorgekommen, indem ich die Handlungselemente auf die Lesergruppen aufgeteilt habe. Für sie habe ich ganz vorn im Buch eine Notiz hinterlassen. Wenn man Leser in einem Alter ist, dem meine Hauptidentifikationsfigur angehört, dann kann man sich mit den Kapiteln begnügen, die in erster Linie zu Amalies kleinem Kernproblem gehören. Also kann man damit beginnen, diese zu lesen. Das geht nämlich sehr gut, denn ich habe diesen Teil des Handlungsmusters auf bestimmte Kapitel beschränkt. Sie mischen sich zwar mit der Chronologie des Buchs, aber man kann sie recht gut herausnehmen und die Geschichte um Amalie zuerst lesen. Sie sind in einem eigenen Schrifttyp gesetzt. Wenn man neugieriger ist, kann man in der Reihenfolge hinterher die Kapitel lesen, die man beim ersten Mal übersprungen hat. Zuletzt hat man dann trotzdem die ganze Geschichte, aber die umgebende Rahmengeschichte ist wohl anspruchsvoller, deshalb kann es sein, dass manche jüngere Leser dabei ins Stocken geraten. Aber sie haben dann jedenfalls den Teil mit Amalie gelesen. Und ihre Rolle beim abschließenden Höhepunkt wird ja enorm bedeutungsvoll. Größer kann es nicht werden. Mehr sage ich jetzt nicht.

Hast du diese Aufteilung aus deiner Arbeit an den Spiel-des-Lebens-Comics übernommen?

Nicht bewusst, aber als ich das Buch geschrieben hatte, sah ich es einfach als eine zusätzliche Möglichkeit, die Geschichte auf eine andere Art zu erleben. „Amalie und der Schutzgeist“ ist insofern nicht schwer zu lesen, aber es kann sich so ausnehmen, weil es im Verlauf zu einigen gewaltigen Science-Fiction-artigen Quantensprüngen kommt. Wenn man zum Beispiel das erste Kapitel gelesen hat und dann mit dem zweiten beginnt, bekommt man einen Schock. Wie sollen diese beiden Blickwinkel jemals miteinander funktionieren? Doch dazu kommt es, auch wenn der Leser eine Zeit lang Geduld aufbringen muss. Man kann schon sagen, dass ich Nutzen aus meinen Erfahrungen mit der Struktur der Spiel-des-Lebens-Bücher gezogen habe, denn in diesen springt man ja von einem Höhepunkt zum nächsten, und das macht man im Science-Fiction-Teil von „Amalie und der Schutzgeist“ auch. Außerdem gibt es den Vorteil, dass man durch Parallelhandlungen verdecken kann, dass hin und wieder einige Zeit vergeht, ehe man nach einem Besuch auf der zweiten Ebene zur ersten Handlung zurückkehrt.

Hast du dieses Mal Inspirationsquellen gehabt?

Während ich das Buch geschrieben habe, haben meine Tochter und ich den computeranimierten Film „Coraline“ gesehen. Der ist fantastisch, und ich habe mit Befriedigung festgestellt, dass eine Geschichte nur noch stärker wirkt, wenn sie einen Resonanzboden aus verständlichen menschlichen Schwächen hat, wie die negativen Folgen übertrieben klammernder Mutterliebe. Das war auch der Konfliktstoff, den Oscar-Gewinner Børge Ring in der Filmperle „Oh My Darling“ in sieben Minuten bearbeitet hat. Also ist es das Beste, wenn auch davon etwas mit in den Sauerteig kommt, und dafür habe ich in meiner Handlung schon gesorgt.

Doch bevor du angefangen hast, hattest du da Vorbilder?

Es gibt ja immer Parallelen, wenn Kinder schlafen gehen und sich in eine Fantasiewelt träumen, in der wiedererkennbare Elemente aus ihrem Alltag auftauchen, wie in den Klassikern „Alice im Wunderland“, „Peter Pan“, „Der Zauberer von Oz“ und sicher auch „Narnia“. Aber sonst sind es meist Filme gewesen, die ich in meiner Kindheit und Jugend gesehen habe, wie Wim Wenders nachdenklichem „Der Himmel über Berlin“ und Frank Capras wunderbarer „Ist das Leben nicht schön?“, den ich seither mehrmals gesehen habe und den man üblicherweise um die Weihnachtszeit herum auf einem der Sender wiederholt. Aus meiner Kindheit erinnere ich mich auch an Vincente Minellis Musical „Cabin in the Sky“, in dem alle Schauspieler Schwarze sind. Nach der Ausstrahlung im Fernsehen um 1960 herum hatten wir einen Running Gag, der sich auf den Ausdruck „der Asbestwagen steht bereit“ bezog, wo der Helfer des Teufels sich dazu bereithält, die scheinbar verlorene Seele in die Hölle hinüberzubringen. Diese Stelle habe ich auf meiner DVD-Kopie herausgesucht. Der Text wurde in zwei Sekunden vorgetragen und es gibt im Film keinen Asbestwagen zu sehen. Diese Erinnerung einer herrlich fantasievollen Vision, vorgetragen in zwei Sekunden, die sich offenbar tief in meiner Erinnerung festgesetzt hat, macht mir deutlich, dass ich schon damals eine Vorliebe für das Humoristisch-Groteske hatte. Doch gibt es ja überhaupt in Hollywood eine große Tradition an Filmen, in denen Paradies und Himmelreich einen zentralen Platz haben. So hat der Schauspieler George Burns mehrmals Gott in der „Oh God“-Trilogie gespielt. Der letzte Allmächtige, den ich im Film erlebt habe, war Morgan Freeman in „Evan Allmächtig“. Eine besondere Schwäche habe ich für den Film „Milo, die Erde muss warten“, in dem eine Seele zögert, ihre neue Reinkarnation zu akzeptieren und die schwangere Mutter deshalb lange über die Zeit schwanger gehen muss, ehe sich alles an seinen Platz fügt. Das brachte mich auf die Idee zu den Protestaktionen in der Abteilung für Wiedergeburt im Jenseits, und in „Amalie und der Schutzgeist“ entwickelt es sich zu einem universalen Problem.

Weil du die Geschichte nicht illustriert hast, würde ich mir wünschen zu erfahren, ob du dir immer noch die Bilder so vorstellst, als wenn du einen Comic machst, oder wie ist es?

Nein, das tue ich nicht. Ich muss zugeben, dass ich mir die Bilder mehr wie in einem Live-Actionfilm vorstelle, mit einem Einschlag von Computeranimation. Ich habe ja freies Spiel gehabt, ohne das Risiko wegen Budgetüberschreitung an die Decke zu stoßen. Alles das, was ich in meinem Buch habe, würde in einer Filmversion kaum Platz finden, und die inneren Bilder auf der Netzhaut sind ja hoch budgetiert, wenn aus ihnen ein Film werden sollte. Hier würde man wirklich von einem „Production Value“ sprechen! Das ist sehr befriedigend. Zu entdecken, dass ich ganz wirklich mit einem Buchstabenpinsel auf einer großen Leinwand malen kann, ist für mich ein sehr spannendes, neues Erlebnis gewesen. Aber wenn aus dem ersten Teil des Buchs jemals ein Film werden sollte, dann ist es schön zu wissen, dass es im zweiten Teil des Buchs eine ebenso machtvolle Handlung für Film Nummer zwei gibt.

Gibt es in dem Buch Teile, von denen du besonders viel hältst?

Die gibt es. Was den größten Eindruck auf mich macht, sowohl während des Schreibens als auch beim wiederholten Lesen, sind die Passagen, bei denen man einen Kloß im Hals bekommt, und von denen gibt es ein paar. Selbstverständlich weiß ich jetzt nicht, ob das auch auf andere Konsumenten zutrifft, aber ich spüre, dass es ein gutes Zeichen ist, wenn es mir gelungen ist, etwas zu schaffen, das echte Gefühle hervorruft. Dann weiß ich, dass es da etwas gibt, weswegen es sich lohnt, aber man kann nie sicher sein, dass es glückt. Dass es nicht gelingt, ist aber selten, und wenn ich dann auch selbst beim Lesen einen Kloß im Hals bekomme, dann bin ich mir sicher, etwas Wichtiges berührt zu haben.

Weshalb auf den E-Book-Markt gehen?

Weil ich der Auffassung bin, dass meine Ideen nicht speziell dänisch sind, sondern international. „Zweite Chance für Sasja“ wird obendrein besser zu einem amerikanischen Hintergrund passen. Auch „Questland“ kann überall verstanden werden. Die Erzähltradition, an die ich anknüpfe, wenn man diesen Ausdruck verwenden kann, liegt mehr auf einer Linie mit etwas, das man in der englischsprachigen Literatur herangezüchtet hat, nämlich fantastische Erzählungen mit Kindern, in denen es einen Übergang zwischen unserer Welt und etwas Übernatürlichem gibt. Und das sind wohlgemerkt auch Bücher, die von Erwachsenen gelesen werden. Hierzulande wird so etwas nicht weiter wertgeschätzt, und es sollte mich nicht wundern, wenn meine gedruckten dänischen Titel in ein umsatzmäßiges Schwarzes Loch fallen. Ich passe nicht in eine vorhandene Schublade des Buchwesens, und es zu einer gedruckten Ausgabe wenn es in seinem Heimatland ein Hit gewesen ist. Dorthin komme ich sicher nie. Ich bin zu eigenartig.

Ein hässliches Entlein?

Ja, und hierzulande werde ich wohl nie ein schöner Schwan werden.

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